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Ist ein Wrack wertvoller als ein segelndes Frachtschiff?

Die Schlagzeile „Sensationsfund: 400 Jahres altes Wrack eines Frachtseglers in der Trave gefunden“ macht in diesen Tagen die Runde in der ganzen Republik. Es freut uns, dass es so eine mediale Aufmerksamkeit für ein maritimes Kulturgut gibt und gleichzeitig schmerzt es sehr, dass ein Schiff erst zum Wrack werden muss, um diese Aufmerksamkeit zu erfahren.

Wie ihr wisst betreiben wir als Verein ein, aus unserer Sicht ebenso wertvolles, historisches Frachtsegelschiff, den Traditionssegler Zuversicht. Zwar nicht 400 Jahre alt, aber immerhin knapp 120 Jahre alt und damit einer der letzten Überbleibsel der Frachtsegler aus der Zeit von 1870 bis 1930 in unserer Region.

Die ZUVERSICHT (ex ELSE) wurde 1905 als Steinfischer für N.P. Nielsen, damals bekannt als der „Steinfischer-König von Nyborg“, gebaut. Von Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die 1950er Jahre war die Steinfischerei in der Ostsee ein bedeutendes Gewerbe. Zentren der Steinfischerei waren beispielsweise die Gewässer vor Fehmarn und Eckernförde. Die Mole von Schilksee und das Marineehrenmal in Laboe wurden unter anderem mit gefischten Steinen errichtet. Ein Tagebuch des ersten Skippers Jensen liegt uns vor, in dem er die Arbeit an Bord beschreibt.

Jacht-Schonern wie die ZUVERSICHT waren Anfang des 20. Jahrhunderts an der Küste von der Elbe bis Skagen weit verbreitet und regionaltypisch für die schleswig-holsteinische Ostseeküste. Für Handelsschiffe im Ostseeverkehr war dieser Schifftyp aufgrund seiner Wendigkeit und des geringen Personalbedarfs zum Betrieb zwischen 1870 und 1930 ein häufig eingesetztes Schiff und wurde im Wesentlichen baugleich zur ZUVERSICHT auch auf deutschen Werften in Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Pommern gebaut. Die Infrastruktur der Häfen um 1900 war auf Schiffe dieses Typs ausgerichtet. Es existieren nach derzeitigem Kenntnisstand keine Jacht-Schonern mehr, die auf schleswig-holsteinischen Werften gebaut wurden.

Wir sind der Überzeugung, dass so ein Schiff erhalten bleiben muss für die folgenden Generationen und zwar am besten im „betriebsbereiten“ Zustand. Denn nicht nur die Kontruktion ist erhaltenswert, sondern auch das Wissen darum wie es gesegelt und genutzt wurde.

Darüber hinaus leistet unser Schiff, wie ihr wisst, wertvolle jugend- und erlebnispädagogische Arbeit, genau aufgrund der traditionellen Seemannschaft und Anforderungen an Bord. Ja, nicht wir, sondern unser Schiff leistet diese Arbeit.

Wir kämpfen seit 2 Jahren intensiv um die Aufmerksamkeit und Unterstützung der Kulturpfleger und -förderer unseres Landes, ohne Erfolg. Wenn sich das Blatt nicht sehr bald wendet, werden wir aus finanziellen Gründen Ende diesen Jahres das Schiff abwracken müssen. Und damit ist tatsächlich die Kettensäge gemeint. Dann werden auch in 200 Jahren keine Archäologen das Wrack restaurieren und konservieren können, sondern es wird für immer verloren sein.

Um die Sanierung auf finanziell sichere Beine stellen zu können, bemühten wir uns im vergangenen Jahr um eine Anerkennung des Schiffs als technisches Kulturdenkmal durch das Landesamt für Denkmalpflege. In den Gesprächen mit dem Landesamt wurde der Seltenheitswert des Schiffs bestätigt, allerdings der für die Anerkennung nötige Regionalbezug verneint, weil das Schiff im Jahr 1905 in Nyborg auf der Insel Fünen vom Stapel lief. Die Anerkennung wurde also abgelehnt.

In Dänemark würde man uns bei der Sanierung der ZUVERSICHT gern unterstützen, sieht sich jedoch daran gehindert, weil das Schiff nicht mehr in dänischem Eigentum steht. Damit steht das Schiff zwischen den Stühlen der Fördermittelgeber: die deutschen Behörden sehen darin ein dänisches Kulturgut, die Dänen sehen ein deutsches Schiff. Und das nach über 100 Jahre gemeinsamer deutsch-dänischer Geschichte. Wer die Frachtsegelei kennt weiß auch, dass diese Grenzen im Kopf keine Rolle für die Historie des Schiffs spielen sollten.

Wir haben an sehr viele Türen geklopft, haben aus einer Fülle von Stiftungen diejenigen ausgewählt und angefragt, die für unseren Zweck in Frage kamen, wir haben Fördertöpfe recherchiert, Personen abgeklappert, die uns beraten haben und Tipps gegeben haben und Fürsprache eingelegt haben.
Wir haben renommierte Türöffner gewinnen können, die für uns sprechen, angefangen von unserem Schirmherrn Bischof em. Ullrich, die erreichte Patenschaft der Stadt Kiel, über div. Politiker, die sich für uns einsetzen, das Rendsburger Schiffahrtsarchiv, die Museumswerft in Marstal, der dänische Skibsbevaringsfonden, die uns mental und mit Briefen unterstützt haben. Und diese Aufzählung könnte noch um viele Details angereichert werden.

Wir stehen mit unserem Fundraising unter außergewöhnlich widrigen Umständen: Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die sich daran anschließende wirtschaftliche Unsicherheit. Die weltpolitische Lage erschwert das Fundraising für uns als ehrenamtlichen Verein in den letzten beiden Jahren, und ganz besonders in diesem Jahr, sehr. Crowdfunding, Stiftungen und Firmen zeigen sich zugeknöpft.

Dennoch ist es uns gelungen immerhin inzwischen eine halbe Millionen Euro (!) zusammen zu sammeln! Weitere 200.000 € könnten wir ggf. als Fördermittel beantragen. Damit haben wir trotzdem „nur“ knapp 30% der benötigten Mittel um das Schiff zu sanieren und wieder als Jugendsegelschiff in Fahrt zubringen.

Um endlich wieder mit euch zu Segeln!

Wir wenden uns an euch, liebe Freunde der ZUVERSICHT, in der Hoffnung dass jemand doch noch eine Idee oder einen Kontakt für uns hat, wie wir den Erhalt dieses historischen Kieler Schiffs gewährleisten können. Wir sind auch bereit das Schiff „in gute Hände“ für einen symbolischen Preis abzugeben, wenn das den Erhalt sichert.

Wir freuen uns über eure Ideen, gerne per E-Mail an info@verein-jugendsegeln.de

Bleibt zuversichtlich!!