Unser Schiff: der See-Ewer AMAZONE

Das Segelschiff AMAZONE ist einer von wenigen erhaltenen deutschen See-Ewern. Es wurde im Jahr 1909 auf der J. H. Jacobs-Werft in Moorrege an der Pinnau, einem Nebenfluss der Elbe, gebaut.

Ein Ewer ist ein kleinerer, aus Friesland stammender Segelschiffstyp mit Plattboden, meist mit Seitenschwerter, um die Abdrift beim Segeln zu minimieren. Die Seitenschwerter hatten den großen Vorteil, dass kein Laderaum durch einen Schwertkasten verloren ging. Ewer wurden mit einem oder zwei Masten gebaut. Sie sind ursprünglich für das Binnenland und das Wattenmeer gebaut, da sie zum einen einen geringen Tiefgang besitzen und zum anderen bedenkenlos trockenfallen können.

Einmastige Ewer werden als Pfahl– oder Giekewer bezeichnet, zweimastige heißen Besanewer. Bei den zweimastigen Ewern ist der achtern stehende Besanmast deutlich kürzer als der vor ihm stehende Großmast. Er ist also ein sog. Anderthalbmaster.

Ewer sind immer gaffelgetakelt. Oberhalb der Gaffelsegel können noch Topsegel gefahren werden. Vor dem Großmast fahren die Ewer üblicherweise eine selbstwendende Fock mit Fockbaum und zwei weitere Vorsegel, die an Klüverbaum angeschlagen sind: der Klüver und der Jager.

Der Ewer – ein hölzernes Transportschiff im norddeutschen Binnenland

Ein Schiffstyp mit der Bezeichnung Ewer ist seit dem Mittelalter bekannt; eine erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem flämischen Sprachraum aus dem Jahre 1252 und bezeichnet den eenvare. Im Wörterbuch der deutschen Sprache wird vermutet, dass niederländisch envarer = ‚Einfahrer‘ bedeuten könnte, was auf eine ursprüngliche Ein-Mann-Besatzung hindeuten würde. Aus Jörgen Brackers Sicht wären die Ewer für einen Einhandsegler zu groß. Er vermutet eine Herkunft von var(e) = Last oder Fuhre, damit wäre ein Ewer ein Boot, das die Last einer vierspännigen Fuhre transportieren könne, in der Regel das Gewicht bzw. die Masse von 12 großen gefüllten Tonnen.

Bereits im 14. Jahrhundert, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, wurde mit Ewern über die Ilmenau Salz von Lüneburg nach Lübeck und Hamburg transportiert. Im 16. und 17. Jahrhundert waren mehr als 50 dieser Schiffe auf dem Fluss unterwegs. Sie hatten eine Länge von 15 bis 20 Meter und konnten bis zu 20 Tonnen laden.  Ab etwa 1800 fanden sie vor allem im Gebiet der Unterelbe und Unterweser sowie auch in den Niederlanden und Dänemark Verbreitung. Mit über 2000 gebauten Booten waren sie im 19. Jahrhundert der am häufigsten eingesetzte Schiffstyp in Deutschland. Die meisten Ewer hatten eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren, nur ein Viertel der Ewer konnte bis zu 50 Jahre genutzt werden.

Die Länge und Breite des Ewers wurde beim Bau an die Schleusen oder Flüssen angepasst, die die Schiffe späer befahren sollten. So gab es den Lühe-Ewer, der bis zu 15 m lang und bis zu 5 m breit sein durfte sowie einen Klapp-Klüverbaum besaß, damit er im engen Fahrwasser der Lühe wenden konnte. Weiterhin gab es das Lägerdorfer Maß, das sich an den Abmessungen für den Breitenburger Kanal orientierte, ca. 17mx4,2m. Diese Lägerdorfer-Ewer waren für die Zementfahrt von und nach Lägerdorf bestimmt, wo es eine Zementfabrik gab. Sie durften bestimmte Maße nicht überschreiten, um die Schleusen des Lägerdorfer Kanals passieren zu können. Verbreitet war noch das Alstermaß mit ca. 20m x 5m.

Sie wurden besonders als Frachtschiffe in der Küsten- und Flussschifffahrt genutzt, teilweise auch als Fischereifahrzeuge. Jahrhundertelang waren die Ewer der vorherrschende Schiffstyp auf der Elbe. Erst die Motorschiffe verdrängten diese flachbodigen Frachtsegler. Durch den geringen Tiefgang war es den Ewern möglich, Waren zwischen Hamburg und den niederelbischen Marschen hin- und her zu transportieren. Diese Ewer versorgten die Stadt Hamburg nicht nur mit Baumaterial beispielsweise aus den Ziegeleien der Unterelbe, sondern beförderten auch Obst und Gemüse aus dem Alten Land sowie Stückgüter wie Kisten und größere Gepäckstücke.

Im Hamburger Hafen wurden sie als Fährschiffe und zum Löschen der Waren aus den größeren Segelschiffen eingesetzt. Die Ewer galten nicht als besondere Werke der mittelalterlichen Schiffsbaukunst, sondern waren von einfacher Natur. Sie waren die Packesel des Wassers. Sie sollten möglichst billig in der Anschaffung sein und effizient in der Arbeit. Man ließ ihnen keine besondere Pflege zu kommen. Ihre Segel waren durch die raue See zerfetzt. Einen Anstrich sahen sie höchst selten. Wenn sie abgewrackt werden mussten, galt ihr Verlust als nicht allzu groß.

Für den Niederelbraum lässt sich die Entwicklung nachvollziehen, dass bis 1800 vor allem halbgedeckte, einmastige Boote mit Rahsegel und hochgezogenem Vordersteven Verwendung fanden. Dieser Ewertyp wurden dann bis 1840 ungebräuchlich. Um diesen Ewertyp von den von dem folgenden Typ abzugrenzen, wurden sie nachträglich als Pfahlewer bezeichnet.

Für die Ewer wurden teilweise regionale Bezeichnungen verwendet, dabei beschreibt der niederdeutsche Begriff Dreuchewer den Trockenewer, also einen Ewer ohne Bünn, der außer dem Ewer der Fischerei alle Ewertypen umfasst:

  • Fischerewer (1740 gab es in Blankenese 60 Fischewer, 1787 waren es 140.)
  • Milch-Ewer
  • Bugsierewer
  • Fährewer
  • Kartoffel-Ewer

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden Ewer häufig zusätzlich mit Motoren ausgerüstet. Später wurde auf die Takelage ganz verzichtet und die Ewer wurden nur noch mit eigenem Motor oder als Schleppverband gefahren.

Der See-Ewer – ein stählendes, hochseetaugliches Plattbodenschiff

1898 wurde hier begonnen, die jahrhundertealte Kunst des Holzschiffbaus auf das neue Material Stahl zu übertragen, da sich der Stahlschiffbau nach und nach auf dem Markt durchsetzte. Stahlschiffe hatten im Gegensatz zu Holzschiffen neben der Stabilität im Wesentlichen den Vorteil, dass sie wesentlich pflegeleichter waren. Dadurch wurden sie für viele Reeder interessant, die Pflegekosten sparen wollten. Auf der Werft von Johann Hinrich Jacobs wurden laut mündlicher Überlieferung an die 100 Ewer gebaut. Davon sind 1898 bis 1914 67 stählerne Ewer als Neubauten nachzuweisen, die Petrine (64 RT), die Amazone  und die Margareta (77 RT) zählten zu den größten. Das Besondere an den sieben Jakobs-Riesen war, dass  sie anders  als die kleinen bis mittelgroßen Ewer nicht nur auf Binnengewässern und nahe der Küste, sondern auch auf offener See fahren konnte

Bei der Konstruktion dieser Ewer mußte auf folgende Kriterien Rücksicht genommen werden: wenig Tiefgang, Wendigkeit, fahrbar mit wenig Besatzung, Geschwindigkeit und natürlich ein großen Frachtraum, damit der Frachtsegler auch seine Transportfunktion ausüben konnte. Ein Mittel, mit dem man versuchte diesen Kriterien gerecht zu werden, war der spezielle Rumpf des Schiffstyp „Ewer“: Diese platte Rumpfform hatte zur Folge, daß das Schiff einen sehr geringen Tiefgang hatte und somit ideal für die Binnen- und Küstenschiffahrt war, die für den nationalen Handel vom größter Notwendigkeit war.

Technische Daten

gebaut:             1909, Moorrege an der Pinnau
Werft:               J. H. Jacobs, Moorrege
Schiffstyp:        See-Ewer, Plattbodenschiff
Länge:               30,3 m LüA, 24,69 m LWL
Breite:               5,36 m
Tiefgang:          1,80 – 3,50 m
Segelfläche:     max. 290 m²
Raumgehalt:    73 BRZ
Takelung:         Ketsch, gaffelgetakelt
Maschine:        Mercedes OM 346, 134 kW